Foto: Harald Kröher

 

Was haben Schlabbe, Hackmesser und Ruhbank gemeinsam? – Zehn historische Fakten über Pirmasens (Teil 1)

Autoreninfo Victoria Titze
Wie gut kennt ihr eigentlich die Stadt, in der ihr lebt? In der folgenden Blockbeitragsreihe möchten wir uns mit spannenden Fakten über unsere westpfälzischen Heimatstädte beschäftigen. Zu jeder Stadt wird es zehn historische Fakten geben, von denen ihr den einen oder anderen bestimmt noch nicht kanntet. Lasst euch also überraschen, was die Vergangenheit unserer westpfälzischen Städte so zu bieten hat. Den Anfang macht „Bärmesens“ wie die Pirmasenser ihre Stadt liebevoll nennen.
1. Pirminius – Namensgeber und Heiliger
Pirmasens wurde um 850 erstmals urkundlich als „Pirminishusna“ bzw. „Pirminiseusna“ erwähnt, wobei die Namensgebung umstritten ist. Als wahrscheinlichster Namensgeber gilt der Wanderprediger Pirminius. Er wirkte im 8. Jahrhundert und gründete um 740 das Kloster Hornbach im Bliesgau, in dessen Nähe das Dorf entstand, aus dem sich später die Stadt Pirmasens entwickelte. Der Name „Pirminiseusna“ wird gedeutet als „alleinstehendes, einzelnes Gehöft des Pirminus“. Eine andere Theorie besagt, dass der Name von Bermann/Ebermann abgeleitet ist und schon lange vor dem heiligen Pirminius existierte. Die Bezeichnung „Pirmasens“ im heutigen Sinne geht auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurück.
Kloster Hornbach
Klosteranlage des Klosters Hornbach (Foto: Anna Wojtas)  
Stadtplan Pirmasens

Stadtplan von Pirmasens 1788 (Foto: TU Darmstadt (CC0))

 

2. „Pirmasenser Ei“ – eine Stadtmauer zum Schutz?
Wegen ihrer ovalen Form wird die Pirmasenser Stadtmauer im Volksmund auch „Pirmasenser Ei“ genannt. Der ehemalige Verlauf der Stadtmauer ist heute noch an der Straßenführung zu erkennen. Zunächst gab es einen Palisadenzaun, der mit der Stadtgründung 1763 durch eine Stadtmauer ersetzt wurde. Die Stadtmauer diente weniger der Verteidigung, sondern sollte die Fahnenflucht der zwangsrekrutierten Soldaten verhindern. Stadtgründer war Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt, der die Garnisonstadt an seinem Namenstag 1763 zur Residenzstadt ernannte. Die Stadt galt als Soldatenstadt, da mehr als zwei Drittel der Einwohner dem Militärstand angehörten. Ludwig IX. kümmerte sich gut um seine Soldaten. Soldatenhandel lehnte er ab. Außerdem durften seine Untergebenen heiraten, ein Handwerk ausüben, um ihren Sold aufzubessern, und bekamen sogar kostenlos einen Bauplatz, auf dem sie sich mit ihren Familien niederlassen konnten. Unter seiner Herrschaft blühte die Stadt auf und die Einwohnerzahl stieg stetig an. Als er 1790 starb, wurde der Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen. Sein Sohn und Nachfolger reduzierte die Zahl der Soldaten erheblich, wodurch sich die Einwohnerzahl beinahe halbierte.
3. Hackmesserseite – das französische Geschenk
​Als Hackmesserseite wird ein Gebiet südwestlich von Pirmasens bezeichnet. Es erstreckt sich von Kröppen bis Eppenbrunn entlang der französischen Grenze. Das Gebiet entstand in den 1790er Jahren nach der Französischen Revolution. Die grenznahen Dörfer der Südwestpfalz weigerten sich, weiterhin die Salzsteuer zu zahlen, was schließlich zum Aufstand führte. Die sogenannten „Freien Franken“ forderten die Aufnahme in die Französische Republik, woraufhin das Gebiet 1793 französisches Staatsgebiet wurde. Der Name „Hackmesserseite“ stammt von der Guillotine, die im Volksmund „Hackmesser“ genannt wurde. Sie war ein Geschenk aus dem heutigen Bitche und wurde auch fleißig benutzt. Der Stadtrat von Pirmasens weigerte sich zunächst, der Französischen Republik beizutreten, da Ludwig IX. bei der Bevölkerung sehr beliebt war. Mit dem Frieden von Lunéville 1801 fielen jedoch auch die Stadt und die linksrheinischen Gebiete der Pfalz an Frankreich. Bis zur Abdankung Napoleons 1815 gehörte die gesamte Region zu Frankreich – man spricht hier auch von der Franzosenzeit.
Hackmesser
Guillotine wird im Volksmund auch als „Hackmesser“ bezeichnet  (Foto: Free-Photos, Pixabay)  
4. Exerzierhalle – wahre Größe
1770 wurde in Pirmasens die zweitgrößte Exerzierhalle Europas errichtet. Sie wurde aber bereits ein Jahr später von einer noch größeren Exerzierhalle in Darmstadt abgelöst, die ebenfalls von Ludwig IX. in Auftrag gegeben worden war. Die größte gehörte dem russischen Zaren und stand in St. Petersburg.

In der Franzosenzeit wurde die Pirmasenser Exerzierhalle durch ein Dekret Napoleons der katholischen Gemeinde übergeben und wie die Stadtmauer und das Residenzschloss abgerissen. Aus den Steinen der Exerzierhalle wurde die erste katholische Kirche errichtet. Diese wurde 1896 durch eine Notholzkirche, die Pirminiuskirche, ersetzt. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde die Pirminiuskirche 1958 nach alten Plänen in zeitgemäßem Stil wieder aufgebaut.

Im Gegensatz zur Exerzierhalle ist der Exerzierplatz in Pirmasens noch vorhanden. Allerdings hat er nur noch ein Drittel seiner ursprünglichen Größe. Auch er wurde in den 1990er Jahren umgestaltet. Der zeitweise als Parkplatz genutzte Platz verfügt heute über eine Tiefgarage mit rund 600 Stellplätzen und dient als Platz für Wochenmärkte, Stadtfeste und diverse andere Veranstaltungen.

Angrenzend an den Exerzierplatz befindet sich das Neue Rathaus, das ursprünglich ein Schulgebäude war. Die 1879 erbaute Exerzierplatzschule war eine Volksschule, die später von einem altsprachlichen Gymnasium, dem Vorläufer des heutigen Immanuel-Kant-Gymnasiums, abgelöst wurde. Seit 1945 wird das Gebäude als Rathaus genutzt.

Exerzierplatz
             Exerzierplatz in Pirmasens (Foto: Harald Kröher)

 

5. „Schlabbe“ – aus der Not zum Erfolg
Schon zur Zeit Ludwigs IX. war das Schuhmacherhandwerk lukrativ, da die Soldaten ständig neue Stiefel benötigten. Aus der Not heraus begannen die Pirmasenser im 19. Jahrhundert, aus Leder-, Filz- und Uniformresten „Schlabbe“, also Schuhe, herzustellen. Auch wenn viele dieser Schuhe in Heimarbeit hergestellt wurden, führte der Ausbau der Pirmasenser Infrastruktur zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem neuen wirtschaftlichen Aufschwung und die Schuhindustrie wuchs stetig. Der Grenadier Jean Joss, der unter Ludwig IX. diente, hatte das Schuhmacherhandwerk in Paris erlernt und nach Pirmasens gebracht. Nach dem Tod Ludwigs IX. reiste Joss‘ Frau als erfolgreiche Schuhverkäuferin umher. Joss diente vielen anderen Schuhmachern als Vorbild und gilt als Wegbereiter des überregionalen Schuhhandels.
Schlabbe
„Schlabbe“ – die pfälzischen Schuhe (Foto: Free-Photos, Pixabay)  

 

Bahnhof Schopp
Bahnhof Schopp (Foto: Benjamin Hörle)  
6. Moosalbtalbahn – Hürden der Umsetzung
1913 wurde die Moosalbtalbahn fertiggestellt. Sie verbindet Kaiserslautern mit Pirmasens. Die fast ausschließlich von Bäumen gesäumte Strecke war im Vergleich zu anderen Strecken nie von der Stilllegung bedroht. Umso schwieriger war ihre Realisierung. Mehrere Planungen wurden verworfen, so auch der Anschluss an die Queichtalbahn. Kurzzeitig hoffte man auf einen Durchgangsbahnhof. Uneinigkeit herrschte über den Standort dieses Bahnhofs. Dies führte dazu, dass die Queichtalbahn Pirmasens einfach umfuhr. So wurde Pirmasens zunächst nur durch eine Stichbahn von der Biebermühle (heute: Pirmasens-Nord) aus erschlossen. Die Biebermühlstrecke führte ursprünglich durch den alten, heute stillgelegten Fehrbacher Tunnel, der als Meisterleistung der damaligen Zeit galt. Dieser weist jedoch eine ungünstige Steigung auf, weshalb kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ein zweites, paralleles Gleis mit einer gleichmäßigeren Steigung gebaut wurde. Zeitweise wurde die Strecke zweigleisig befahren. Heute ist das steilere Parallelgleis stillgelegt. Eine Wiederinbetriebnahme sowie ein möglicher Durchstich bei der Alten Post wurden erwogen, aber wieder verworfen. Nach mehreren weiteren gescheiterten Verhandlungen wurde schließlich die Strecke zwischen Kaiserslautern und Pirmasens, zunächst nur bis Waldfischbach, als Lokalbahn genehmigt und 1904 eröffnet. 1913 folgte der Anschluss nach Kaiserslautern.
7. Deutsche Schuhmetropole – Aufstieg und Niedergang
Die Schuhproduktion florierte und Pirmasens wurde zur deutschen Schuhmetropole. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges zählte die Stadt 240 Schuhfabriken mit 14.000 Beschäftigten. Durch die Nähe zum heutigen Frankreich wurde Pirmasens im Ersten Weltkrieg erneut Garnisonsstadt. Neben der französischen Besatzung verlor die Stadt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit Elsass-Lothringen einen wichtigen Absatzmarkt. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile der Pirmasenser Innenstadt zerstört. Pirmasens war die am zweitstärksten zerstörte Stadt in Rheinland-Pfalz. Nur Zweibrücken hatte es noch schlimmer getroffen. Dennoch konnte die Schuhproduktion bis in die 60er Jahre wieder aufgenommen werden. Mit dem Wiederaufbau der Fabriken kamen auch wieder Geld und Arbeitsplätze nach Pirmasens. Doch der Erfolg währte nicht lange. Mit der zunehmenden Verlagerung der Schuhproduktion in Billiglohnländer wurde die Produktion in Pirmasens und den umliegenden Gemeinden schließlich weitgehend aufgegeben, da sie nicht mehr konkurrenzfähig war. Mangels Leder wurde vermehrt Kunststoff eingesetzt. Dies führte zur Ansiedlung zahlreicher Betriebe der kunststoffverarbeitenden Industrie, die sich zum Teil bis heute erhalten haben.
Schuhfabrik Kopp
Luftaufnahme der ehemaligen Schuhfabrik Kopp  (Foto: Harald Kröher)

 

Dynamikum
Dynamikum auf dem ehemaligen Gelände der Schuhfabrik Rheinberger (Foto: Barbara Löwe)  
8. Science-Center Dynamikum – Naturwissenschaften zum Anfassen
2008 wurde das Science-Center Dynamikum in der ehemals größten Schuhfabrik Europas (Rheinberger) eröffnet. In dem großen Mitmachmuseum dreht sich alles um Phänomene aus Natur und Technik mit dem Leitmotiv „Bewegung“. Viele spannende Experimente laden dazu ein erforscht und ausprobiert zu werden. Für Abwechslung sorgen die regelmäßig wechselnden Sonderausstellungen. Im Strecktalpark befinden sich noch eine Reihe weiterer Experimentierstationen.
9. Strecktalpark – Vielfalt im Grünen
Direkt neben dem Dynamikum befindet sich der Strecktalpark. Auf einer Fläche von 15 Hektar gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Erholung und sportlichen Betätigung. Dazu gehört auch eine DiscGolf-Anlage mit 15 Bahnen. Ziel ist es, mit möglichst wenigen Würfen eine Frisbeescheibe ins Ziel zu bringen. Ansonsten laden die grünen Wiesen zum Picknicken und Verweilen ein. Im Sommer ist der Wasserspielplatz eine willkommene Abwechslung für Familien mit Kindern. Über den Park spannt sich die imposante Streckbrücke, das Wahrzeichen der Stadt, die 1928 erbaut wurde.
Strecktalpark
Strecktalpark von oben  (Foto: Harald Kröher)

 

Ruhbank

„Ruhbank“ im Stadtteil Ruhbank zum Ausruhen für Lastenträger (Foto: Wikipedia, Rudolf Wild (CC BY-SA 4.0))

10. Ruhbank – Stadtteil mit Selbstbestimmung
Ruhbank ist ein Stadtteil von Pirmasens. Ursprünglich gehörte das Dorf Ruhbank zum Amt Lemberg. Da die Einwohner nicht für jede Verwaltungsangelegenheit nach Lemberg fahren wollten, bildete sich ein „Ausschuss für Selbstständigkeit“ mit dem Ziel, Ruhbank zu einer eigenständigen Gemeinde zu machen. Schließlich wurde vorgeschlagen, sich der Stadt Pirmasens anzuschließen. Dies geschah dann 1956 durch einen Bürgerentscheid. Eine „Ruhbank“ war ursprünglich eine Bank, auf der sich Lastenträger ausruhen konnten. Eine solche steinerne Ruhbank stand am höchsten Punkt der Verbindungsstraße von Pirmasens nach Lemberg und gab dem heutigen Stadtteil seinen Namen. Die Grundschule Ruhbank-Erlenbrunn wurde im Rahmen eines Modellversuchs zur ersten Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz.

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