JAHRESZEIT IM FOKUS

Zu Karneval steht die Westpfalz Kopf

Fasching, Fastnacht oder Karneval – in der Westpfalz hat die fünfte Jahreszeit ganz unterschiedliche Namen und Bräuche. Das Herzstück des Karnevals bleibt jedoch überall gleich: die Verbundenheit zu den närrischen Traditionen und der ausgeprägte Sinn dafür, diese gebührend zu feiern. Egal ob mit Büttenreden, Gesangsnummern, Sketchen oder Tänzen – in der Westpfalz ist an Karneval für jede Menge Spaß und Unterhaltung gesorgt.

Auch, wenn die Westpfalz auf den ersten Blick nicht unbedingt als Karnevalshochburg erscheint, sollte man den kleinsten Bezirk der Vereinigung badisch-pfälzischer Karnevalsvereine nicht unterschätzen. Denn falls nicht gerade eine Pandemie das Land beherrscht, dann steppt pünktlich zu den karnevalistischen Feiertagen in der Westpfalz der Bär. Doch für viele Karnevalisten beginnt die Faschingszeit nicht erst am 11.11., sondern bereits Ende September mit der Teilnahme an karnevalistischen Tanzturnieren. Welche Veranstaltungen sonst noch in der Westpfalz gefeiert werden und wie das Brauchtum Karneval gepflegt und gefördert wird, erfahrt ihr in diesem Blog-Artikel.

Wie der Karneval in die Westpfalz gelangte

Der Beginn närrischer Traditionen reicht viele Jahre zurück bis in das Mittelalter, wo das Lachen bereits als Gegenwelt zum geregelten Alltag der Menschen galt. Später richtete sich der Zeitraum, in dem wir bis heute Fastnacht feiern, nach der christlichen Fastenzeit. Im Gegensatz zu den strikten Einschränkungen und Verboten der Fastenzeit bot der Karneval die Möglichkeit, deren Einschränkungen zu überwinden und für eine begrenzte Zeit aus dem strengen System auszubrechen. Die Westpfalz erreichten die karnevalistischen Traditionen Mitte des 19. Jahrhunderts. In den Jahren 1838 und 1883 wurden mit dem Karnevalsverein Kaiserslautern und dem Karnevalsverein Zweibrücken die ersten beiden Gesellschaften gegründet.

Während der beiden Weltkriege kam der Karneval jedoch zum Erliegen. In den Nachkriegsjahren nahmen die Fastnachtstraditionen langsam wieder Fahrt auf und sorgten erneut für Fluchtmöglichkeiten aus dem Leid des Alltagslebens. Seine Blütephase erreichte der Karneval in der Westpfalz zwischen 1951 und 1962. Das Interesse der breiten Bevölkerung, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzunehmen, wuchs: Allein im Gebiet Baden-Pfalz entstanden zu dieser Zeit 62 neue Karnevalsvereine.

Der Verband Baden-Pfalz, zu dem auch die Westpfalz gehört, ist der zweitgrößte Regionalverband deutschlandweit und gehört dem Bund Deutscher Karneval an. Neben der Westpfalz teilt sich das Verbandsgebiet in die Bezirke Nordbaden, Mittelbaden und die Vorderpfalz auf. Während der Verband zur Gründung im Jahr 1937 noch aus 16 Gesellschaften bestand, hat sich heute mit über 300 Mitgliedsvereinen eine beachtliche Zahl von rund 70.000 Aktiven angesammelt. Doch damit nicht genug: Nicht alle Westpfälzer Ortsvereine haben sich dem Verband angeschlossen. Viele feiern frei nach eigenen Traditionen und Wünschen ihre Veranstaltungen.

Straßenkarneval war bereits früh Bestandteil der Fastnachtszeit, wie hier im Jahr 1932. (Foto: Bundesarchiv, Bild 102-13061 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 102-13061, Faschingsgesellschaft, CC BY-SA 3.0 DE)

Die Westpfalz – kleiner Karnevalsbezirk ganz groß

Der Westpfalz, als kleinstem Bezirk des Bund deutscher Karneval, haben sich mittlerweile 50 Vereine aus den westpfälzischen Landkreisen und den kreisfreien Städten aber auch zwei Gastvereine aus dem Saar-Pfalz-Kreis angeschlossen. Die mehrheitlich ländlich geprägten Faschingsgesellschaften haben seither zahlreiche gemeinschaftliche Aktivitäten, Veranstaltungen und Treffen initiiert weshalb die Westpfalz zu den geselligsten Bezirken zählt.

Das Herzstück des Bezirks ist die „Westricher Fastnacht“, kurz WEFA, eine Gemeinschaftssitzung, die bereits seit fast 60 Jahren einmal jährlich abgehalten wird. Die Idee zur WEFA entstand im Jahr 1961 zufällig bei einem Treffen der zu dieser Zeit beteiligten Vereine zum Ramsteiner Fastnachtsumzug. Das besondere an der WEFA ist, dass sie jedes Jahr von einem anderen Verein und an einem anderen Ort ausgerichtet wird. Auch das Programm der gemeinsamen Prunksitzung wird durch Beiträge der Mitgliedsvereine gestaltet, sodass eine bunte Vielfalt an Auftritten und Akteuren aus der ganzen Westpfalz zusammenkommt, um gemeinsam Fastnacht zu feiern.

Seit einigen Jahren gehört zur WEFA auch das WEFA-Tanzprojekt. Hierbei studieren einzelne TänzerInnen der Vereine zusammen mit TänzerInnen aus anderen Mitgliedsvereinen eine gemeinsame Choreografie ein, die bei der WEFA und bei Auftritten im gesamten Regionsgebiet präsentiert wird. Die TänzerInnen tragen dabei das Kostüm des Heimatvereins, sodass auf der Bühne ein bunter Mix an Kostümen, Farben und Persönlichkeiten zusammentrifft.

 

Bei der WEFA wird gemeinsam gesungen, getanzt und gelacht. (Foto: Karlheinz Topp)

Wo Prinzen und Prinzessinnen Zuhause sind

Ganz nach dem Vorbild der Erwachsenen kommt auch die Jugend von Baden-Pfalz einmal jährlich zu einer gemeinsamen Prunksitzung zusammen. Im Jahr 2009 fand erstmals die Kinder- und Jugend-WEFA statt, die ähnlich wie die WEFA der „Großen“ an ständig wechselnden Orten abgehalten wird. Doch hier dreht sich alles um die Kleinsten: Das Programm setzt sich ausschließlich aus Auftritten des Kinder- und Jugendbereichs zusammen, bei denen die kleinen Künstler ihr Können zeigen können und richtet sich auch an junge Zuschauende. Zudem führen die Kinder selbstständig ohne erwachsene Hilfe durch das Programm und moderieren mindestens so gut wie ihre großen Vorbilder.

Als weiteres Highlight gilt der Ball der Prinzessinnen. Hier treffen sich die amtierenden Tollitäten aus Baden-Pfalz zu einem geselligen Ballabend mit Tanz, Musik und pompöser Garderobe. Eine ähnliche Veranstaltung besteht auch für die Kindertollitäten im Haus der Fastnacht. Abgerundet wird das Veranstaltungsprogramm durch die vereinseigenen Faschingsveranstaltungen und Karnevalsumzüge, wie zum Beispiel in Ramstein, Zweibrücken, Dahn oder Schönenberg.

Ein Ball wie aus dem Märchenbuch. (Foto: Karlheinz Topp)

Den Traum, einmal im Leben Prinzessin zu sein, dürfen sich die amtierenden Westpfälzer Tollitäten erfüllen. (Foto: Kristin Zytlinksi)

Die jungen Prinzen und Prinzessinnen treten bereits früh in die Fußstapfen der Großen. (Foto: Karlheinz Topp)

Die Westpfalz präsentiert sich

Während in den 50er Jahren noch überwiegend Reden und Gesang Teil der Fastnachtssitzungen waren, besitzen die Veranstaltungen heute einen hohen sportlichen Anteil. Ein Highlight jeder Karnevalssitzung sind die Auftritte der Tanzgruppen, auf die vor allem die Tanzenden selbst das ganze Jahr über hin fiebern: Endlich den lange einstudierten Tanz der Familie und Freunden präsentieren und die neuen Kostüme zeigen.

Doch nicht nur bei Prunksitzungen konnten sich die Westpfälzer Aktiven bislang präsentieren. So durften auch bei der Badisch-Pfälzischen Fernsehfastnacht des SWR schon so manche Westpfälzer Aktiven ihr Können unter Beweis stellen. Die Gesangsgruppe „die Hofkater“ der Bruchkatze Ramstein, die beiden Büttenredner „de Härdschd“ und „de Bauer Sepp“ aus dem Dahner Felsenland, aber auch so manche Tanzgruppe hatten bereits die Ehre, mehrfach Teil des Sitzungsprogramms sein zu dürfen.

Großes Publikum bei der Badisch-Pfälzischen Fernsehfastnacht. (Foto: Karlheinz Topp)

Der Gardetanz – ein vielfach unterschätzter Wettkampfsport

Fasching kennt jeder, doch was die Mehrheit nicht weiß ist, dass es im Karneval auch Wettkämpfe gibt! Diese starten beim Bund deutscher Karneval bereits Ende September in drei Altersklassen und fünf Kategorien. Das große Ziel der Teilnehmenden: sich für die Deutsche Meisterschaft im karnevalistischen Tanzsport qualifizieren und bestenfalls gut abschneiden. Egal ob bei den Gruppentänzen wie dem weiblichen Gardetanz, dem gemischten Gardetanz (Männer und Frauen) und dem Schautanz oder als Solist im Paar- oder Solotanz, der Nervenkitzel vor Betreten der Bühne ist doch noch einmal deutlich größer als bei einem Auftritt auf einer Kappensitzung. Heiß umkämpft ist zudem der Titel des Badisch-Pfälzischen-Meisters bzw. des Pfalzmeisters, der bei der Landemeisterschaft an die besten Gruppen jeder Kategorie vergeben wird.

Doch nicht alle Tanzgruppen der Westpfalz widmen sich dem Turniersport, vor allem aufgrund der teilweise strikten Vorgaben zur Gestaltung von Tanz und Kostümen. Für viele Tanzenden steht hauptsächlich der Spaß am Tanzen, das Zusammensein mit Freunden oder auch das Gefühl, nach einem erfolgreichen Auftritt das Publikum begeistert zu haben – und weniger der Erfolg – im Vordergrund.

Jährlich zieht es hunderte Tanzsportfreunde zu den Baden-Pfalz-Meisterschaften. (Foto: Celine Hirsch)

Der amtierende Deutsche Meister im Gardetanz: die Stadtgarde aus Baunatal. (Foto: Heiko Knipser)

Bei der Siegerehrung lassen sich alle Aktiven feiern. (Foto: Heiko Knipser)

Verwandte Themen

Teilen
Link kopieren
Mailen
Drucken